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Bestandserfassung von Limenitis camilla im Warndt - Methode und Umfang der Untersuchung

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2 Methode und Umfang der Untersuchung

2.1 Larvalhabitat und -biologie

Im Warndt beginnt die Flugzeit des Kleinen Eisvogels ab ca. der zweiten Juniwoche und einzelne Weibchen der ersten Generation können noch bis Mitte August beobachtet werden. Gewöhnlich bleibt es bei einer Generation – im sehr warmen Jahr 2003 wurde in vielen Teilen des Saarlandes eine zweite Generation nachgewiesen.

Für Baden-Württemberg werden als Wirtspflanzen Symphoricarpos albus, Lonicera tatarica (Tatarische Heckenkirsche), L. xylosteum (Rote Heckenkirsche), L. nigra (Schwarze Heckenkirsche) und L. periclymenum angegeben (Ebert & Rennwald 1991). Alle Arten sind Waldpflanzen und zählen zu den Geißblattgewächsen (Caprifoliaceae). Im Saarland sind S. albus, L. periclymenum und L. xylosteum von Bedeutung. S. albus ist ein Zierstrauch nordamerikanischer Herkunft, der besonders in Siedlungsnähe gerne verwildert. L. periclymenum ist eine atlantisch verbreitete Liane, die in Mitteleuropa die Ostgrenze ihres Areals erreicht. Größere Bestände gibt es in der nordwestlichen Hälfte Deutschlands, während die Art z. B. in Bayern bereits zu den Seltenheiten gehört. Sie wächst streng azidophytisch und fehlt den meisten Kalkgebieten. Nur im klimatischen Optimum erreicht sie als üppig wachsende Liane regelmäßig die Baumkronen; nahe der Arealgrenze ragen viele Populationen aus mesoklimatischen Gründen nicht über die Krautschicht hinaus. Dieser Umstand und die Tatsache, dass sich die Areale von L. periclymenum und L. camilla in Deutschland nicht sehr großflächig überlappen, erklären die bislang nur äußerst spärliche Dokumentation des Deutschen Geißblatts als wichtige Raupennahrungspflanze für den Kleinen Eisvogel. L. xylosteum ist ein basiphytischer Strauch, der insbesondere in den Kalk-Hügelländern und –Mittelgebirgen Deutschlands weit verbreitet ist. Die im Warndt gemachten Beobachtungen zur Bedeutung von L. periclymenum als Raupennahrungspflanze für L. camilla können vermutlich auf alle linksrheinischen deutschen Silikatgebiete übertragen werden.

Die Eiablage erfolgt an der Blattoberseite, wobei bis zu vier Eier in unmittelbarer Nähe abgelegt werden (eigene Beobachtungen im Untersuchungsgebiet). Nach ein bis zwei Wochen schlüpfen die Räupchen, die fünf Larvalstadien durchlaufen. Bereits am ersten Tag beginnt die Raupe mit dem so genannten Fahnenfraß und verlängert die Mittelrippe des Sitzblattes durch festgesponnenen Kot (Lederer 1960, Pollard 1979, Hermann 2007). Dieses Fraßbild ist vor der Überwinterung sehr charakteristisch. Für die Überwinterung baut die Raupe ein so genanntes Hibernaculum, indem sie meist das Sitzblatt am Ästchen festspinnt und an der Blattbasis eine Röhre zurecht spinnt. Die Überwinterung erfolgt vermutlich ausschließlich im L3–Stadium (Ebert & Rennwald 1991) – die Beobachtungen im Warndt bestätigen dies. Nach der Überwinterung verlassen die Raupen abhängig von der Witterung ab Anfang April das Hibernaculum und sie wachsen danach zügig bis zur Verpuppung. Diese erfolgt als Stürzpuppe vorzugsweise an der Mittelrippe der Blattunterseite, nahe am Blattstiel oder auch direkt am Zweig (eigene Funde von Exuvien im Untersuchungsgebiet).

Vielfach wird der Kleine Eisvogel als Lichtwaldfalter (Ulrich 2002, Ulrich, R. & S. Caspari 2007) bezeichnet und als bevorzugte Flugstellen sind sonnige Waldwege, -ränder und -lichtungen, in deren Nähe die Wirtspflanzen wachsen, angegeben (Lederer 1951, Schweizerischer Bund für Naturschutz 1987). Als Nahrungsquelle des Falters dienen Baumsäfte, feuchte Böden, Aas, Exkremente und Blüten (Lederer 1951) sowie vermutlich Honigtau als Nektarersatz. Für die Eiablage werden Pflanzen schattiger und luftfeuchter Standorte in Waldrandnähe bevorzugt (Pollard 1979, Ebert & Rennwald 1991, Weidemann 1995). Die Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung lassen im Untersuchungsgebiet diesbezüglich teilweise Abweichungen erkennen, die hier diskutiert werden sollen.

2.2 Erfassungsmethodik

Die Geländekartierung wurde mit Hilfe eines GPS–Gerätes (Garmin GPSmap 60CSx) unterstützt – dabei erwies es sich als hilfreich, dass topographische Karten im Maßstab 1:25.000 auf dem Gerät verfügbar waren. Jeder einzelne Fundpunkt wurde auf mindestens 10 Meter genau festgehalten. Erfasst wurden jeweils die Anzahl der lebenden Raupen, die Zahl der nicht mehr belegten Hibernacula, die Zahl der Kotrippen (sofern kein Hibernaculum in unmittelbarer Nähe angelegt war) und die Zahl der Exuvien. Die Erfassung der Daten erfolgte mit Hilfe des Programmes RECORDER-D. Die Wirtspflanzenstandorte und die entsprechende Wirtspflanzenbeziehung wurden dort ebenfalls erfasst. Für diese Aufgabenstellung erweist sich die Möglichkeit, mit angepassten Feldlisten und der Rucksackfunktion zu arbeiten, als äußerst hilfreich für eine effiziente Datenerfassung. Zusätzlich wurde für einen repräsentativen Teil der Funde die Fundhöhe über Geländeoberkante erhoben und ausgewertet. Weitere Merkmale wie die Entfernung zur nächsten offenen Struktur (Waldweg, Lichtung etc.) oder Merkmale des Mikroklimas wurden wegen dem damit verbundenen hohen Aufwand nicht systematisch erhoben, aber qualitativ bewertet.

Das angewendete Suchschema nach Kotrippen und Hibernacula ist in der Literatur gut beschrieben (Hermann 2007) und wird hier für die beiden Wirtspflanzen L. periclymenum und S. albus adaptiert und verfeinert.

In ausgewählten Probeflächen, die sowohl qualitativ als auch quantitativ bearbeitet wurden, wurde möglichst flächendeckend qualitativ die Anwesenheit bzw. Absenz des Kleinen Eisvogels untersucht. Hierzu wurde die Suche nach den ersten Funden abgebrochen, um möglichst viele weitere Fundstellen zu besuchen. Eine zielgerichtete Nachsuche zur Flugzeit der Falter sollte überdies Erkenntnisse zum Verhalten liefern.

2.3 Untersuchungsgebiet

Es wurde ein Hauptuntersuchungsgebiet festgelegt, welches vollständig und unter Berücksichtigung eines möglichst breiten Spektrums von möglichen Fundstellen und Wirtspflanzen untersucht werden sollte. Dies bedeutet, dass die regionale Verbreitung unabhängig von Aspekten wie Mikroklima, Alter und Wuchs der Wirtspflanze sowie die unmittelbare Nähe geeigneter Falterhabitate untersucht wurde. Dieses Untersuchungsgebiet schließt sich an die erste Fundstelle, an der bereits im Sommer Nachweise erbracht werden konnten, an.

Nachdem sich durch die gemachten Erfahrungen im Hauptuntersuchungsgebiet das Suchschema an L. periclymenum deutlich schärfer fassen ließ, wurden weitere Probeflächen untersucht. Diese sollten einerseits gewisse Mindestansprüche an das Larvalhabitat erfüllen (vorhandene Wirtspflanze) und andererseits sollten Habitate untersucht werden, in denen während der letzten Jahre nach Faltern gesucht wurde. Darunter sollten sich auch Probeflächen befinden, in denen der Nachweis von L. camilla in den letzten zehn Jahren trotz Nachsuche nicht gelungen war. Aus diesem Vorgehen sollte eine Einschätzung entwickelt werden, inwiefern ein Nachweis über Präimaginalstadien auch an L. periclymenum besser oder schlechter geeignet ist, als die Suche nach Faltern zur Flugzeit.

Die weiteren Probeflächen wurden anhand topographischer Karten und von Satellitenbildern (Google Earth) vorselektiert und durch Strecken ergänzt, an denen L. periclymenum vorkommt. Gute Bestände vom Deutschen Geißblatt finden sich im Warndt mit einer gewissen Präferenz in feuchteren Senken mit jüngerem Baumaufwuchs Solche feuchten Senken können auf topographischen Karten gut angesprochen werden. Eine Überprüfung im Satellitenbild ergibt zusätzlich, ob dort mit geschlossenem Hochwald (Erfolgsaussichten schlechter) oder mit offeneren Strukturen zu rechnen ist. Zusätzlich wurden alle eher zufällig entdeckten Wirtspflanzenvorkommen stichprobenweise kontrolliert – auch dann, wenn sie zunächst als ungeeignet erschienen.

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Abb. 1: Anhand solcher Strukturen kann man potenziell geeignete Untersuchungsflächen finden. Senken in Wegrandnähe möglichst im Kontext mit Bachläufen bieten eine gute Ausgangsbasis für erste Nachsuchungen. Eine zusätzliche Überprüfung über die Satellitenbilder kann herangezogen werden, den Bewuchs dort grob zu bewerten. Kann man den Weg von oben noch gut erkennen, lohnt sich eine Untersuchung im Regelfall.

ABB02

Abb. 2: Lage des Warndts im Süd-Westen des Saarlandes.

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Abb. 3: Alle untersuchten Strecken sind durch die roten Linien kenntlich gemacht. Insgesamt wurden 33 Begänge mit einer Gesamtlänge von 170 km durchgeführt. Die Fundpunkte sind durch blaue Symbole repräsentiert. Sie können den Kartenausschnitt vergrößern und verkleinern.



Wer hat noch eine Schmetterlingssammlung?
Brauner Eichenzipfelfalters auf Halde in Ludweiler
 

Comments

Thomas Brück on Dienstag, 07. November 2017 18:42

Dieser Artikel ist einfach klasse. Es ist so ziemlich die ausführlichste Beschreibung über Limenitis camilla, die ich bislang gelesen habe. Sehr detailliert und gut strukturiert. Nun hatte ich kürzlich auch eine solche Hibernacula gefunden. Darin war auch eine Raupe, allerdings tot. Was ich nicht im Artikel finden konnte oder überlesen habe, ist die Größe dieser Hibernacula bzw. der Raupen darin. Zunächst dachte ich nämlich, dass es zu klein wäre. Trotzdem habe ich nachgesehen. Die Raupe darin war gerade mal 2 Millimeter groß, kaum als solche zu erkennen. Ist das tatsächlich die Durchschnittsgröße?

Dieser Artikel ist einfach klasse. Es ist so ziemlich die ausführlichste Beschreibung über Limenitis camilla, die ich bislang gelesen habe. Sehr detailliert und gut strukturiert. Nun hatte ich kürzlich auch eine solche Hibernacula gefunden. Darin war auch eine Raupe, allerdings tot. Was ich nicht im Artikel finden konnte oder überlesen habe, ist die Größe dieser Hibernacula bzw. der Raupen darin. Zunächst dachte ich nämlich, dass es zu klein wäre. Trotzdem habe ich nachgesehen. Die Raupe darin war gerade mal 2 Millimeter groß, kaum als solche zu erkennen. Ist das tatsächlich die Durchschnittsgröße?
Ronny Strätling on Sonntag, 10. Dezember 2017 13:06

Hallo und vielen Dank!

2mm ist eher die unterste Größengrenze. Größer als 5mm sind sie aber nie. Am kleinsten sind sie etwa im Januar, wenn es harten Frost gibt. Dann schrumpeln sie ordentlich zusammen. :-)

Hallo und vielen Dank! 2mm ist eher die unterste Größengrenze. Größer als 5mm sind sie aber nie. Am kleinsten sind sie etwa im Januar, wenn es harten Frost gibt. Dann schrumpeln sie ordentlich zusammen. :-)
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